Zitat aus dem Talmud
Wer einen einzigen Menschen… – Sanhedrin 37a

"Warum wurde ein einziger Mensch [Adam] geschaffen um Vater aller Familien der Erde zu sein?
Um uns zu lehren, dass, wer einen Menschen tötet, es ist, als wenn er eine Welt zerstörte.

Wer einen (jüdischen) Menschen rettet ist es, als würde er eine Welt erretten.
Es wurde ein einziger Mensch geschaffen, für den Frieden der menschlichen Gesellschaft, damit eine Generation nicht zur anderen sagen könne, mein Vater war größer als der deinige.
Es wurde ein einziger Mensch geschaffen, um dem Irrtum der Unwissenden zu begegnen, die an zwei Urheber der Schöpfung hätten glauben können.
Es wurde ein einziger Mensch geschaffen, um von der göttlichen Macht Zeugnis zu geben.
In der Tat: Ein menschlicher Künstler bringt mit einer einzigen Form, die er in tausend Gegenstände eindrückt, immer diese Form hervor. Aber von der ersten Form Adams rührt eine unbegrenzte Anzahl unendlich verschiedener Formen her."

Damit wird die Erschaffung Adams zum Prinzip des menschlichen an und für sich. Adam ist somit in jedem Menschen präsent. Er ist nicht der physische, sondern der geistige Vater aller Menschen.

Der Sohar sieht in Adam, den ersten Menschen, der "ein Gleichnis alles Oberen und Unteren in sich trug."
"Denn als er [Jehovah] die Welt erschuf, betrachtete er den Menschen, dass er Herrscher werde über alles, dieweil er das Gleichnis alles Oberen und Unteren in sich trug."
Sohar, nach dem Urtext, herausgegeben von Ernst Müller, S.106

Das bezieht sich auf die Passage der Genesis: 1 Mos. 1.27. "Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau [1]"
[1] Männlich und weiblich.
Die Übersetzung lässt beides zu "als Mann und Frau" und ebenso "männlich und weiblich.", denn nach esoterischer Anschauung ist Adam eine spirituelle Form des Menschen, die beide Geschlechter in sich trug. Erst mit der Erschaffung der Frau ließ er den Menschen in einen tiefen Schlaf fallen und damit war der Mensch entweder ein Mann oder eine Frau. Das geschieht in der 7. Schwangerschaftswoche (SSW), nach 49 Tagen.

"Bis zur 7. SSW unterscheiden sich die Geschlechter in ihrer Entwicklung nicht. Erst ab der 8. SSW erfolgt die erste Differenzierung: Wächst ein Junge im Mutterleib heran, bilden sich die Hoden und produzieren das männliche Geschlechtshormon Testosteron."
Ab wann ist das Geschlecht eines Babys erkennbar?

Der Sohar bestätigt diese Anschauung: "Der erste Mensch bestand aus Männlichem und Weiblichem, wie es heißt: 'Und es sprach Gott: Lasst uns einen Menschen machen in unserem Abbild, nach unserem Gleichnis.' Hiernach wurde also männlich und weiblich in einem geschaffen und trennte sich erst später."
Sohar, nach dem Urtext, herausgegeben von Ernst Müller, S.107

In der Alchemie kehrt diese Überlieferung zurück


"Der Rebis (aus dem Lateinischen res bina , was doppelte oder doppelte Materie bedeutet) ist das Endprodukt des alchemistischen Magnum Opus oder großen Werkes. Nachdem man die Phasen der Verwesung und Reinigung durchlaufen hat und gegensätzliche Eigenschaften getrennt hat, werden diese Eigenschaften wieder zu dem vereint, was manchmal als der göttliche Hermaphrodit beschrieben wird, eine Versöhnung von Geist und Materie, ein Wesen sowohl männlicher als auch weiblicher Eigenschaften, wie durch angedeutet der männliche und weibliche Kopf in einem einzigen Körper. Sonne und Mond entsprechen den weiblichen Hälften, ebenso wie der Rote König und die Weiße Königin in ähnlicher Weise verbunden sind."
Wikipedia/Rebis

In der Mystik versinnbildlicht das Zwitterwesen die "Unio Mystika". "Die Unio mystica oder Henosis (griech. ἕνωσις), die Einswerdung mit Gott, ist das höchste Strebensziel der Mystiker." ... "Die mittelalterlichen Mystikerinnen bezeichneten diese Vereinigung mit Gott bzw. dem Christus als Mystische Hochzeit, wobei sie die geläuterte jungfräuliche menschliche Seele als die Braut Christi ansahen. Es handelte sich dabei um einen rein seelischen Vorgang. Eine höhere Stufe stellt die «Chymische Hochzeit» dar, bei der die Verwandlung des Menschenwesens den Charakter eines realen Naturvorgangs annimmt, wie es die wahren Alchemisten erstrebten."
Unio mystica

Der weltbekannte Psychologe C.G. Jung nahm an, dass in den Träumen seiner Patienten das Idealbild der geschlechtlichen Ergänzungshälfte zum Ausdruck kommt. Bei der Frau der ideale Mann, beim Mann die ideale Frau. Das Unbewusste ist also gemäß C.G. Jung die innere Ergänzungshälfte, die der Mensch immer in der äußeren Welt sucht. Die "Unio Mystika" (mystische Hochzeit) ist also ein Akt der Vereinigung der psychologischen Geschlechter. Oder die Bewusstwerdung des Unbewussten. Goethe spricht das im Faust an, wenn er das Drama mit folgenden Worten schließt:

Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche, Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche, Hier ist's getan;
Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), Faust Teil 2.

In allgemein verständlichen Worten könnte man sagen: Adam ist das wesenhaft Menschliche in allen Menschen. Es ist das, was bei Männern und Frauen gleich ist. Das was unabhängig vom Geschlecht, menschlich ist.