"Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist kleiner als gedacht."
(Welt vom 07.01.2007)



Schon die oberflächliche Betrachtung der Kulturgeschichte der letzten 5000 Jahre zeigt den fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Man muss sich fragen, welche Motivlage vorliegt, diese gewaltigen Unterschiede zu nivellieren? Die Hervorbringung von Krieg und Vernichtung ist dem Tier ebenso fremd wie die Hervorbringung von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Zu beidem ist nur der Mensch fähig.

Dominik Perler, Professor für Theoretische Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin sagt in einem Interview mit der Welt:
"Schmerzen des Tieres müssen uns ethisch bekümmern. Es lässt sich begründen, dass wir einem Organismus keine Schmerzen zufügen sollten."
(Welt vom 07.01.2007)

Wenn ein Löwe eine Antilope tötet, dann tut er das aus seinem Instinkt heraus. Er tut es so, dass er das Tier relativ schnell tötet, vorausgesetzt, er bekommt es im Nacken zu fassen. Andernfalls erleidet das Tier Angst und Schmerz. Tiere töten nicht aus Hunger, sondern sie haben einen Jagdtrieb, der auch dann wach ist, wenn sie nicht hungrig sind. Das kann man daran erkennen, dass Hauskatzen, obwohl sie gut gefüttert sind, Mäuse und Vögel reißen und sie dann nicht fressen, sondern langsam töten, evtl. ins Haus tragen und liegen lassen. Einen ethisch-moralischen Grund nicht zu töten, keinen Schmerz zuzufügen, gibt es bei Tieren nicht.

Woher kommt ethisch-moralische Pflicht und seine Ablehnung?
Beim Menschen gibt es aufgrund seiner Fähigkeit, sich selbst auf eine bestimmte Weise zu reflektieren eine philosophisch begründbare Pflicht, kein Leid zuzufügen. So oft der Mensch dagegen verstoßen haben mag, so oft wurde es wieder eingefordert. Dieser Disput existiert, seit es Menschen gibt. Andererseits ist der Mensch zu Dingen fähig die so grausam sind, dass Tiere dazu nicht in der Lage wären. Warum ist das so? Weil der Mensch planen kann, er denkt und plant die Zukunft, wozu Tiere kaum in der Lage sind. Der Mensch kann also planvoll töten und wir nennen das dann Mord. Ein Tier ist dazu nur so weit in der Lage, als seine Sinne reichen. Nicht aber darüber hinaus. Ein Hund mag eine Ente planvoll jagen, er tut das aber erst dann, wenn er das Tier wahrgenommen und als Ziel anvisiert hat. Ein Hund würde keine Haltung von Enten planen können, um sie zu schlachten und zu verkaufen. An diesem Beispiel kann man erkennen, wie absurd es ist, den Menschen als dem Tier nahe stehend sehen zu wollen. Wir können den Tieren insofern nahestehen, als wir ebenso wie einige hoch entwickelten Säugetiere Gefühle und Empfindungen äußern können. Mensch und Monster(Diabolos) sind zwei Optionen die nur der Mensch hat, nicht aber das Tier. Woher diese Option kommt, das sagt bereits die Schöpfungsgeschichte.

1 Moses 3.1;Und die Schlange war listiger(hebr. arum = listig, klug) als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte.

Dieses Tier, die Schlange, ist eine Allegorie für den Verstand des Menschen. Der reflektierende Verstand gibt dem Menschen die Freiheit der Entscheidung, auch gegen Widerstände. Es ist ihm in die Wiege gelegt und zwar mit dem Erwerb des Verstandes. So und nur so gelesen ergeben die Texte des Alten Testaments einen tieferen Sinn. Sie sind Allegorie und Metapher, wie Swedenborg wusste.
→ Emanuel Swedenborg

Der Verstand bei den Tieren
Dominik Perler sagt in dem Gespräch mit der Welt: "Bei meiner Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich aber durch Gespräche mit Tierforschern bemerkt, welche erstaunlichen Fähigkeiten zum Beispiel Vögel besitzen. Sie legen Landkarten im Gehirn an, merken sich Verstecke von Lebensmitteln, kommunizieren auf raffinierte Weise miteinander. Man würde sich selber kaum mit einem Vogel vergleichen. Aber wir sind einem Eichelhäher ähnlicher, als wir glauben. Er kann sich merken, wo er Körner versteckt hat, und diese Informationen bei Bedarf verändern."

Wo also ist der Unterschied zwischen den kognitiven Fähigkeiten von Tieren und denen des Menschen?

Er sagt weiter: "Der eigentliche Unterschied liegt in der Sprachfähigkeit. Ich meine nicht die Signalsprache; die finden wir bei Tieren auch. Sie warnen sich zum Beispiel gegenseitig vor Feinden, mit sehr wirkungsvollen Systemen. Aber was wir Sprache nennen, das beherrschen sie nicht."

Kreativität, Kunst und Wissenschaft als Domänen des Menschen
Dabei nennt er drei Eigenschaften menschlicher Sprache: Syntax, Semantik und Kommunikation. Er unterschlägt dabei die wichtigste Eigenschaft von Sprache, die uns vom Tier unterscheidet, sie ist Selbstzweck! Es gibt kein Tier, das dazu in der Lage wäre, einen Roman, eine Reisebeschreibung oder eine wissenschaftliche Abhandlung zu lesen. Ebenso würde es keinem Tier einfallen, in ein Konzert oder eine Galerie zu gehen. Der ganze Komplex von Kunst bis Wissenschaft ist den Tieren verschlossen. Damit dringt der Mensch in eine geistige Region vor, die dem Tier völlig verschlossen ist. Das würde ich als Geist bezeichnen und das fehlt den Tieren vollständig.

Der Schweizer Philosoph sagt nun einen entscheidenden Satz: "Ihnen [den Tieren] fehlen Systematizität und Produktivität: die Fähigkeit, aus einem Repertoire von Signalen etwas neu zusammenzusetzen." Tiere mögen vielleicht eine Melodie erkennen, manche Papageien sie auch nachpfeifen, aber sie können diese nicht in eine andere Tonart bringen (transponieren), denn das erfordert einen kreativen Umgang mit Musik. Andererseits kann jedes Kind eine Melodie um eine Oktave höher singen, wenn man es dazu auffordert. Diese Kreativität, das Schöpferische, fehlt den Tieren.
→ Wie kam der Mensch zur Musik: Eine Betrachtung zum Intervallempfinden

Perler sagt weiter: "Kleinkinder zeigen eindrucksvoll, was Sprechen bedeutet. Obwohl sie nur wenige Wörter beherrschen, können sie immer neue Sätze daraus bilden. Warum? Weil sie die einzelnen Laute nach syntaktischen Regeln neu kombinieren. Mindestens so etwas müsste man bei Tieren beobachten, um sie für sprechfähig zu halten. Aber Fehlanzeige. Walgesänge reichen nicht. Da wird nichts auf systematische Weise neu produziert."

WELT.de: "Gibt es Tiere, die alle Voraussetzungen erfüllen, die Sie stellen?"
Perler: "Mir sind aus den empirischen Forschungen keine bekannt."
WELT.de: "Sie können es aber nicht ausschließen."
Perler: "Nein."
WELT.de: "Dann bleibt die Frage ewig offen? So lange, bis jemand ein Tier findet, das semantisch, syntaktisch und pragmatisch kommuniziert?"
Perler: "Ja, aber bislang hat kein Tier in Experimenten Sprachfähigkeit bewiesen."

Wenn Tiere sprechen, so tun sie es in Fabeln und Legenden. Das sind aber Domänen des Menschen, der das Tier als Archetypus auffasst. Es ist der Mensch, der das Tier in einem höheren Sinn in und vielleicht in seinem wahren, urbildlichen Wesen erkennt. Etwa im astrologischen Tierkreis, der nichts weiter ist als Sinnbilder archetypische Kräfte.

Ist die Evolution auf den Menschen hin orientiert?
Der Philosoph lehnt allerdings eine Ziel Gerichtetheit der Evolution ab, gibt jedoch zu, dass er seine Auffassung nicht begründen kann.
WELT.de: "Anders ausgedrückt: Warum hat die natürliche Zuchtwahl nicht mehr Arten hervorgebracht, die denken und sprechen können?"
Perler: "Mit dieser Frage schlagen sich Wissenschaftler seit Generationen herum. Ich kann sie nicht beantworten."

Man könnte also durchaus behaupten, die Evolution sei zielgerichtet auf die Hervorbringung des Menschen angelegt, solange die Wissenschaft dies nicht widerlegen kann.
→ Prof. Hoimar von Ditfurth vertritt theosophische Ansichten

Perler: "... Sobald wir Sprache besitzen, können wir über Abwesendes, noch nicht Existierendes reden. Wir sind nicht mehr gebunden an Reize von außen. Das erweitert den Horizont enorm. Erst das versetzt uns in die Lage, Pläne zu schmieden und Ziele zu setzen - ein entscheidender Wettbewerbsvorteil des Menschen."
WELT.de: Tiere können sich keine Ziele setzen?
Perler: Nein.

WELT.de: Stellen wir uns einen Hund vor, der zum Spazieren will. Er holt die Leine und springt damit vor seinem Herrchen auf und ab. Ist das nicht zielbewusstes, abstraktes Handeln? Der Hund sieht die Bäume in dem Moment ja nicht, zu denen er will.

Das ist eine Willensäußerung, die in eine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung mündet. Dazu setzten Tiere durchaus Verstand ein. Der Hund würde aber bereits kaum in der Lage sein, die Leine für den morgigen Spaziergang bereitzulegen, da dafür noch kein unmittelbarer Bedürfnisimpuls vorhanden ist. Parler spricht von " Reiz durch konditioniertes Verhalten" und "Muster der Bedürfnisbefriedigung".

In einem Beitrag von swissveg.ch heißt es: "Im Juli 2004 wurde in einem Wissenschaftsmagazin der Border Collie Rico vorgestellt, der 200 Wörter verstand. Bei einem wissenschaftlichen Experiment konnte er nach nur einmaligem Erwähnen der Namen von 40 neuen Spielsachen 37 davon korrekt zuordnen."
Nun, auch das Erlernen von 2000 Wörtern befähigt einen Hund noch nicht des freien Umganges mit Sprache. Erst wenn dieser gelehrige Partner des Menschen anfinge, sich mit seinem Herrchen, wenn auch in Zeichen- oder Morsecode über das Wetter zu unterhalten, müsste man dem Hund den Umgang mit Sprache zubilligen. Das wird jedoch kaum der Fall sein.

Perler: "Menschen können frei handeln, auch wenn die materielle Welt kausal geschlossen ist."
WELT.de: Kausal geschlossen? Was heißt das?
Perler: Dass alle Ursachen Folgen und alle Folgen Ursachen haben.

Die Fähigkeit, kausal zu denken ist eine der Domänen des Menschen. Kausalität ist das Denken sucht zu einem Ereignis eine Ursache, ein zeitlich vorhergehendes Ereignis. Wenn uns ein Stein auf den Kopf fällt, blicken wir nach oben, während ein Tier sich wegduckt und davonläuft, noch bevor die Gefahrenlage erkannt ist. Kausal zu denken beginnt mit dem Zählen, denn das Grundschema der Zahl ist zunächst die Aufeinanderfolge von Einheiten. Daher kommt vermutlich das englische "tellen" und das deutsche "Erzählen".

Ebenbild Gottes und sein Widersacher(Diabolos)
"Trotz allem haben die Menschen sich die Erde «untertan gemacht». Dies geschah jedoch nicht auf einer ethischen, moralischen Basis, sondern auf dem schlichten Recht des Stärkeren, da der Mensch in der Herstellung von Tötungswaffen allen Tieren bei weitem überlegen ist. Ausserdem ist kein Tier so flexibel im Denken und Handeln wie der Mensch."
WO LIEGT DER UNTERSCHIED ZWISCHEN MENSCH UND TIER?, Swiss Veg

Diese Aussage ist unzureichend, denn die "Flexibilität" des Denkens, die mehrere Optionen ermöglicht, resultiert aus dem reflektierenden Denken und der daraus resultierenden Kreativität, dem Schöpferischen, in welchem dem Menschen Gott ein Ebenbild ist. In dieser schöpferischen Kraft ist der Mensch Ebenbild Gottes, wie auch sein Gegenbild als Widersacher (Diabolos). Es ist nun keineswegs so, dass Menschen schon immer Böses im Sinn hatten, sondern die Geschichte zeugt von einem immerwährenden Kampf zwischen den guten und den üblen Kräften im Menschen. Der oben zitierte Text lässt lediglich Kulturpessimismus erkennen. Der Mensch ist weder nur böse, noch ist er nur gut. Das Übelste, wie auch das Göttliche ist im Menschen. Die Menschheit brachte ebenso die Gaskammern von Auschwitz, Sklaverei und Folterkammern hervor wie die göttlichen Kunstwerke der Musiker, Maler und Dichter.
→ Künstliche Intelligenz: Der Mensch, Ebenbild Gottes?

Der Mensch ist weder nur böse, noch ist er nur gut. Das Übelste, wie auch das Göttliche ist im Menschen. Die Menschheit brachte ebenso die Gaskammern von Auschwitz, Sklaverei und Folterkammern hervor wie die göttlichen Kunstwerke der Musiker, Maler und Dichter. Dieser immerwährende Zwiespalt wurde in der Literatur auf unterschiedliche Weise thematisiert.

Das göttliche im Menschen ist rätselhaft. Es äußert sich im Streben nach Harmonie, Schönheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und wird oftmals geleugnet. Die historischen Belege sind jedoch erdrückend.

Leichter fällt die Einstufung des Menschen als Tier plus Verstand, was oftmals dazu verleitet, des Menschen andere Seite zu leugnen. Darstellungen des Scheiterns jedoch belegen das Gegenteil dessen, was in Erscheinung tritt. Scheitern, woran? Ein Tier ist, wie es ist, es scheitert nicht. Sein Dasein ist eingebettet ist in das artspezifische Verhalten. Der Mensch scheitert stets an seinen Ansprüchen und zwar über die Zeiten und Kulturen hinweg.

Offenbar ist der Mensch ein gespaltenes Wesen

Diese Gespaltenheit wurde in der Literatur in unzähligen Märchen, Legenden, Erzählungen und Romanen thematisiert. Eine moderne und dramatische Fassung ist die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in welcher sich die beiden Anteile vollständig abspalten und ein Doppelleben führen.

"Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde (Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde) ist eine Novelle des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson (1850–1894) aus dem Jahr 1886. Zentrales Motiv ist eine gespaltene Persönlichkeit." (Wikipedia/Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde)